Alte und Neue Musik – Totengesänge – 3.11. 1998 Salzburger Nachrichten
Mit Elektronik spielen
Neue Musik von Werner Raditschnig, die direkt anspricht
In einem Konzert der Hofhaymer-Gesellschaft in der vollen Schloßkirche Mirabell hat sich wieder einmal gezeigt, daß Live-Elektronik weite, noch unerprobte, vor allem spielerische Versuchsfelder bereithält.
Werner Raditschnigs Stück „KA oder die Stellvertretung des Fleisches“ bezieht seinen Tonvorrat von zwei Polychorden. Dieses „Rohmaterial“ wird elektronisch mutiert, darauf beruhen die Akkordschichtungen und Melodiefloskeln, die zwei Cellisten, ein Posaunist und zwei Sängerinnen beisteuern. Im Lauf von gut 25 Minuten wird man hineingezogen in eine fremdartige Klangwelt, die zuerst statisch und blockhaft wirkt, aber zum wachen Hinhören animiert und dies mit einer Fülle subtiler Farben und interessanter Strukturen lohnt. Das Werk überzeugt durch seine dichte, sich direkt mitteilende Form.
Im zweiten Werk, einer Paraphrase auf das archaische Lied vom Seikilos-Epitaph, einer in Kleinasien aufgefundenen griechischen Grabstele, führte Raditschnig vor, daß seine Polychorde auch zu ganz anderem eingesetzt werden können: Diese Musik ist viel spontaner, es bleibt sogar noch Platz für szenisches Brimborium – eine anschauliche und im Detail sogar witzige Angelegenheit.